Attacke auf Club in Frankfurt (Oder) - OB Wilke machte Inhalte aus Ermittlungsakten öffentlich
Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke will zwei Flüchtlinge ausweisen, die für die Attacke im Frosch-Club verantwortlich sein sollen. Jetzt stellt sich raus: Für die Begründung nutzte Wilke Insiderwissen und zitierte aus Verhören - ungeprüft. Von Michael Lietz
Nach einer Attacke auf den Musikklub "Le Frosch" in Frankfurt (Oder) - mutmaßlich begangen von einer Gruppe Syrer - will Oberbürgermeister zwei der darin verwickelten Flüchtlinge ausweisen lassen. Das teilte er am Donnerstag mit.
Wilke begründet diesen Schritt damit, dass die jungen Männer noch für viele weitere Straftaten verantwortlich sein sollen. Fünf Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft.
"Bei den Verhören zeigt sich ja auch noch, dass es null Schuldbewusstsein gibt. Gar keins!", sagte Wilke dem rbb. "Die sagen, was sie gemacht haben, ist genau richtig. Sie würden es wieder tun."
Wissen aus Ermittlerkreisen
Offenbar hat Wilke sein Wissen aus Ermittlerkreisen. Auf Anfrage teilt er dem rbb schriftlich mit: "Im Zusammenhang mit den Vorkommnissen der vergangenen Wochen gibt es eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen der Stadt und den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden."
Einsicht in Ermittlungsakten habe er nicht gehabt. Fakt ist aber, dass er Inhalte aus Ermittlungsverfahren öffentlich gemacht hat. Für den Juristen an der Frankfurter Viadrina-Universität Thomas Bode ist das ein Verstoß gegen den Datenschutz. So etwas habe in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und dürfe Dritten nicht weitergeben werden, so Bode: "Das ist nicht Zweck des Strafverfahrens, die Öffentlichkeit damit zu füttern."
Weiterer Syrer bereits im Juni festgenommen
Polizei und Staatsanwaltschaft haben dem rbb versichert, keine Akten oder Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren weitergegeben zu haben. Allerdings befindet sich zumindest eine Anklageschrift gegen einen bereits im Juni festgenommenen Syrer in der Ausländerbehörde. Auch das Jugendamt hat eine Kopie.
Das Verfahren sei so üblich, sagt der Sprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft Ingo Kechichian. In der Anklageschrift stehen auch Ermittlungsergebnisse, sofern sie für die Anklage und für die Einschätzung der Person wichtig sind. So soll laut Staatsanwaltschaft zum Beispiel aufgeführt sein, dass sich der beschuldigte Syrer uneinsichtig zeigt und immer wieder so handeln würde.
Hat Oberbürgermeister René Wilke also genau daraus zitiert, als er von den uneinsichtigen Syrern sprach? Wenn ja, dann verallgemeinert der Linken-Politiker womöglich vom Verhalten einer einzelnen Person auf das Verhalten einer ganzen Gruppe. So etwas zu tun, wird oft und gern Gruppen am anderen politischen Rand unterstellt.
Oberbürgermeister streut falsche Informationen
Es gibt noch eine Ungereimtheit: Dem Radiosender "PureFM" erzählte Wilke in der vergangenen Woche, dass die Sozialarbeiter in der JVA Wriezen ihre Arbeit niedergelegt hätten, weil sie um ihr Leben fürchteten. Der Leiter der JVA Wriezen, Wolf-Dietrich Voigt, weist die Behauptung zurück. Dass Sozialarbeiter ihre Arbeit niedergelegt hätten, sei "Quatsch und Mist", sagt er dem rbb telefonisch. In Wriezen sitzt zumindest der bereits im Juni festgenommene Syrer in Untersuchungshaft.
Er war auf dem sogenannten Frankfurter Hortenplatz mit einem Deutschen aneinander geraten. Unvermittelt soll der Syrer zugeschlagen und dem Deutschen ins Gesicht getreten haben. Dieser erlitt schwere Verletzungen. Das Opfer soll zuvor versucht haben, die Freundin des Syrers zu belästigen.
Frankfurts Oberbürgermeister räumt unterdessen ein, ihm zugetragene Informationen weitergegeben zu haben, ohne sie zuvor in der JVA gegengecheckt zu haben: "Sie können davon ausgehen, dass, wenn ich etwas sage, ich dann schon auch geprüft habe, ob das eine vertrauenswürdige Quelle ist. Und trotzdem kann es passieren, dass dann Dinge herangetragen werden, die nicht korrekt sind. Wenn das in dem Falle so war, muss ich mich dafür auch entschuldigen."
Messerstechereien, Körperverletzung, Drohungen
Seit etwa einem Jahr soll eine Gruppe von 15 bis 20 Syrern in unterschiedlicher Besetzung immer wieder in Frankfurt aufgefallen sein. Es kommt zu Messerstechereien, Körperverletzungen, Gewalt und Drohungen. Aber "es scheint nicht so zu sein, dass die Beschuldigten durch die Stadt laufen und einfach drauf zuschlagen", sagt Oberstaatsanwalt Ulrich Scherding im Gespräch mit Antenne Brandenburg, "es scheint immer irgendwelche Anfeindungen im Vorfeld gegeben zu haben." Scherding ergänzt, dass das die Taten in keiner Weise rechtfertige.
Ende August soll schließlich eine Gruppe Syrer den Musikklub "Le Frosch" überfallen haben. Mit Eisenstangen und Steinen bewaffnet und "Allahu Akbar" rufend, sollen die 10 bis 15 jungen Männer zwei Scheiben eingeworfen haben, ein Besucher erleidet eine Schnittwunde, ein anderer wird von einem Stein getroffen. Der Schock bei den Gästen der Diskothek sitzt tief.
Die Syrer waren zuvor nach einem Streit des Klubs verwiesen worden. Sie hätten sich Verstärkung geholt und wären gewaltbereit zurückgekommen, heißt es laut Polizei.
Wilke will die mutmaßlichen Täter ausweisen lassen
Auslöser für die Randale im "Le Frosch" war nach Angaben des linken Vereins Utopia e.V. eine Auseinandersetzung mit zwei stadtbekannten Neonazis. Einer von ihnen soll 2015 an einer Hetzjagd auf Syrer in Frankfurt beteiligt gewesen sein. Auch Utopia betont aber, dass das die Taten im "Frosch" nicht rechtfertige. Staatsanwalt Kechichian bestätigt die Erkenntnisse des Vereins Utopia teilweise. Nach Erkenntnissen der Behörde sei zumindest ein Rechter am Streit im Musikklub beteiligt gewesen.
Für Frankfurts Oberbürgermeister Wilke war es dennoch der buchstäblich letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Nach der Serie von Überfällen, Körperverletzungen und Drohungen will der 34-Jährige nun reagieren. Er lässt deshalb prüfen, ob die mutmaßlichen Täter auch ohne langwieriges Strafverfahren ausgewiesen werden können.
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